Eine Therapeutin (die beste, die ich je hatte) hat mir mal gesagt, es sei „alles eine Frage der Wahrnehmung“. Da ging es um persönliche Probleme, aber das trifft auch auf die gegenwärtige Nachhaltigkeits- und Demokratiekrise zu. Ich habe das einmal so formuliert: „Pessimisten sehen Probleme, Optimisten sehen Herausforderungen“.
Unsere Gesellschaft hat in der Corona-Krise gezeigt, dass sie mit großen Problemen fertig zu werden imstande ist. Nun gibt es zwei wesentliche Unterschiede zwischen der Pandemie und der Nachhaltigkeitskrise. Erstens: Das Virus hatte keine Lobby. Niemand war an einer ungehinderten Ausbreitung des Virus interessiert und verdiente damit viel Geld. Die fossilen Brennstoffe, Plastik, Billigfleisch und andere umweltschädliche Produkte und Wirtschaftsweisen haben hingegen eine starke Lobby, es wird damit sehr viel Geld verdient. Zweitens: Bei den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie war von vornherein klar, dass sie nur vorübergehend waren. Es war von vornherein klar, dass irgendwann Dinge wie Maskenpflicht oder die Schließung von Restaurants und Konzertsälen wieder verschwinden würden, dass man danach wieder leben können würde wie vorher. Die Nachhaltigkeitskrise erfordert hingegen Verhaltensänderungen, die von Dauer sind. Unser Leben wird nie mehr so sein, wie es jetzt ist. Was nicht heißt, dass es nicht besser sein wird. Aber es hängen eben einige Gewohnheiten daran, von denen wir Abschied nehmen müssen.
Dennoch: es ist eine Frage der Wahrnehmung. Anders leben heißt nicht schlechter leben, es kann auch heißen: besser leben. Es wird lediglich noch viel zu wenig kommuniziert, dass die Zukunft besser sein kann als die Gegenwart – wenn wir alle es wollen. Es gilt, den Einflüsterungen der Populisten, die eine vermeintlich bessere Vergangenheit wieder herzustellen versprechen, eine Vision einer lebenswerten Zukunft entgegen zu stellen.