Im letzten Post ging es darum, dass Nachhaltigkeit die Voraussetzung dafür ist, die Langzeitvisionen der Science Fiction Wirklichkeit werden zu lassen. Heute geht es darum, wie viel Sinn diverse Visionen haben, die in der Science-Fiction-Szene im Schwange sind. Da wird ins Blaue über Kolonien und Bergbau im Weltall spekuliert und auch mal Fortschritt mit Energieverbrauch verwechselt. Die meisten dieser Ideen ergeben aber herzlich wenig Sinn.
Es gibt keinen Planeten B
Dieser Slogan-Klassiker der Klima- und Umweltschutzbewegung gehört jedem ins Stammbuch geschrieben, der davon träumt, auf einem anderen Planeten neu anzufangen, wenn die Erde erst mal zugrunde gerichtet ist. Denn einen solchen Planeten gibt es tatsächlich nicht. Raumfahrt- und Science-Fiction-Fans neigen dazu, die Lebensfeindlichkeit anderer Planeten des Sonnensystems (und nur diese erscheinen in absehbarer Zeit überhaupt erreichbar) drastisch zu unterschätzen. Selbst Mars ist ein extrem ungastlicher Ort. Er bietet fast nichts, was man zum Leben benötigt: keine atembare Luft, keinen fruchtbaren Boden, kaum Wasser, keinen Schutz vor kosmischer Strahlung. Alle anderen Planeten und Monde sind noch schlimmer. Und wir können unsere Erde wahrscheinlich nicht so sehr zugrunde richten, dass sie schlechter wäre als der Rote Planet. Selbst nach einem globalen Atomkrieg wäre sie vermutlich immer noch ein gastlicherer Ort als Mars. Es spricht Bände, dass die Antarktis und der Meeresboden, abgesehen von ein paar Forschungsstationen, noch nicht von Menschen besiedelt sind, obwohl sie beide viel lebensfreundlicher und viel leichter zugänglich sind als der Mond oder Mars; und die Firmen, die am Meeresgrund nach Erzen schürfen (und damit empfindliche Ökosysteme zerstören) wollen, planen durchwegs mit Robotern und nicht mit Bergarbeitersiedlungen dort unten.
Wir können uns wahrscheinlich auch keinen Planeten B selbst erschaffen. Es ist höchst fraglich, ob Terraforming wirklich funktioniert. Planetare Biosphären sind so komplexe Gebilde, dass wir sie wahrscheinlich nicht künstlich erschaffen können, jedenfalls nicht in absehbarer Zukunft. Zwar zeigt die Klimakrise, dass wir Menschen die Lebensbedingungen auf einem Planeten verändern können, aber um Mars (oder irgendeinen anderen Planeten) zu einer zweiten Erde zu machen, wären ganz andere Anstrengungen erforderlich, die wir besser darauf verwenden sollten, unsere Erde zu schützen und zu versuchen, bereits angerichteten Schaden, soweit möglich, zu reparieren. Und wenn ein Planet unbewohnbar ist, dann hat das seine Gründe, an denen sich nichts drehen lässt. Mars ist zu klein und zu weit von der Sonne entfernt, um ein lebensfreundlicherer Ort zu sein, als er ist. Venus ist nicht zu klein, aber zu nah an der Sonne. Und so weiter. Es bleibt dabei: Es gibt keinen Planeten B!
Jedenfalls nicht in unserem Sonnensystem. Wir wissen nicht, ob es Planeten anderer Sterne gibt, die sich zur Besiedlung eignen würden (wenn wir sie denn erreichen könnten), von den ethischen Fragen, die das aufwerfen würde, mal ganz abgesehen. Wahrscheinlich gibt es zwar viele Planeten, die grundsätzlich ähnlich lebensfreundlich sind wie die Erde, aber damit ist noch gar nichts gesagt darüber, ob die planetaren Biosphären kompatibel sind oder nicht. Es ist gut möglich, dass wir weder die fremde Luft atmen, noch die fremden Organismen essen oder irdische Nutzpflanzen anbauen könnten, weil die fremde Biochemie nicht zu der unsrigen passt. Die Atmosphäre mag zu viel CO2, oder auch giftige Bestandteile wie Ammoniak oder Schwefelwasserstoff, enthalten, oder zu wenig Sauerstoff. Die Biomoleküle haben vielleicht die falsche Händigkeit, oder weichen auch sonst zu sehr von ihren irdischen Pendants ab, sind möglicherweise hochgiftig. Den Planeten B werden wir also so bald dort nicht finden.
Asteroiden oder Mülldeponien?
Eine beliebte Vorstellung in der Raumfahrt- und Science-Fiction-Szene ist ferner der Bergbau auf Asteroiden. Aber das wäre extrem teuer und unwirtschaftlich, und es gäbe dort ja nur Metalle und andere mineralische Rohstoffe zu holen, die es auch auf der Erde gibt. Es ergäbe mehr Sinn und wäre viel billiger, hier auf der Erde alte Mülldeponien aufzugraben, um die dort in der Vergangenheit achtlos entsorgten Rohstoffe wieder zu verwerten. Die Zukunft liegt nicht im Asteroidenbergbau, sondern in der Kreislaufwirtschaft hier auf der Erde.
Und das Helium-3 auf dem Mond?
Auf dem Mond gibt es Helium-3. Ja. Und im Meerwasser ist Gold gelöst. Ja. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Gewinnung wirtschaftlich wäre. Und wozu wollen wir das Helium-3 überhaupt haben? Als Brennstoff für die Kernfusion. Die aber ist noch so weit von der Praxisreife entfernt, dass sie für die Rettung des Weltklimas viel zu spät kommen wird. Und erneuerbare Energien sind auf der Erde nicht wirklich Mangelware – die Sonne schickt uns mehr als genug, wir müssen sie also nur ernten. Insofern ergibt es wenig Sinn, die Mondoberfläche nach Helium-3 zu durchwühlen. Zwar würden dadurch keine Ökosysteme zerstört, aber ist die unbelebte Natur nicht auch schützenswert?
Die Kardaschow-Klassifikation ist überholt
Die Kardaschow-Klassifikation kosmischer Zivilisationen erfreut sich bei SETI-Forschern und in der Science-Fiction-Szene großer Beliebtheit. Sie geht auf den russischen Astronomen Nikolai Kardaschow zurück, der sie 1964 vorschlug. Demnach gibt es drei Typen hochentwickelter Zivilisationen. Typ 1 nutzt die Energie, die auf ihrem Heimatplaneten zur Verfügung steht (ca. 1016 Watt). Typ 2 nutzt die ganze Energie ihrer Heimatsonne (ca. 1026 Watt). Typ 3 nutzt die gesamte Energie ihrer Heimatgalaxie (ca. 1036 Watt). Unsere Zivilisation hat noch nicht einmal Typ 1 erreicht.
Aber diese Klassifikation verwechselt Energieverbrauch mit Fortschritt. Sie ist typisch für das Denken ihrer Zeit, für die Ideologie der Durchsatzwirtschaft. Es ist kein Zufall, dass sie in der Sowjetunion aufgestellt wurde, die damals noch vor den USA das Land mit dem höchsten Energieverbrauch pro Kopf war, worauf die sowjetische Elite sehr stolz war – aber sicher nicht das Land mit dem höchsten humanen Entwicklungsstand. Eine fortgeschrittene Zivilisation wird die ihr zur Verfügung stehende Energie effizienter nutzen und nicht immer mehr davon verbrauchen.
Dies erklärt vielleicht auch, warum wir noch keine Funksignale außerirdischer Zivilisationen aufgefangen haben. Sie verbraten eben nicht Unmengen von Energie, wie Karschaschow vermutete, sondern gehen mit der Energie, die sie zur Verfügung haben, sparsamer und effizienter um as wir, weshalb wir sie nicht bemerken. Im Übrigen wird die interstellarer Reichweite unserer Radio- und Fernsehsender oft überschätzt. Sie reichen nicht viel weiter als vielleicht 100 Lichtjahre – eine Entfernung, die wahrscheinlich nicht an unsere nächsten Nachbarn im All heran reicht.