Die US-Amerikaner haben seit Generationen einen Traum. Einen Traum, der viele Einwanderer anlockte und immer noch anlockt. Dies ist der amerikanische Traum: Jeder hat die Chance, durch Fleiß der Armut zu entkommen, sich vom Tellerwäscher zum Millionär empor zu arbeiten.
Aber dieser Traum ist schon seit langem für viele ein Albtraum. Denn nicht jeder schafft es tatsächlich, der Armut zu entkommen – die meisten schaffen es nicht. Und wenn jeder es schaffen können soll, dann haben diejenigen, die arm bleiben, ihre Armut selbst verschuldet. Sie haben sich einfach nicht genug angestrengt. Sie haben es nicht besser verdient, als arm zu bleiben. Sozialpolitik ist daher überflüssig, wirkungslos und teuer.
Mehr noch: die Lehre von der selbstverschuldeten Armut wird noch religiös überhöht. Viele Amerikaner glauben an eine calvinistische Prädestinationslehre, die besagt, dass Armut und Reichtum von Gott gewollt sind und der Mensch daran nichts zu ändern hat. Sozialpolitik ist daher nicht nur überflüssig, sondern wider die von Gott gewollte Ordnung.
Die Folgen sind bekannt: es fehlen soziale Leitplanken des Kapitalismus. Wer vom Weg zum Erfolg abkommt, der stürzt in den Abgrund. Und kommt nicht wieder auf die Straße. Allenfalls eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gilt im politischen Diskurs der USA als legitimes politisches Mittel zur Armutsbekämpfung.
Und jetzt haben die USA die bittere Quittung für die Vernachlässigung der sozialen Absicherung bekommen: einen Möchtegern-Diktator namens Donald Trump, der heute in sein Amt eingeführt wird. An die Macht gebracht haben in frustrierte Wähler aus der abstiegsbedrohten Mittelschicht, vor allem in ländlichen Regionen. Menschen, die kein Vertrauen mehr in die Zukunft haben und sich in eine Vergangenheit zurück sehnen, in der alles scheinbar viel einfacher war, und die Trump zurück zu bringen verspricht.
Wir wissen nicht, wie schlimm die zweite Amtszeit Trumps werden wird. Aber es wird mindestens so schlimm wie beim ersten Mal, und das reichte, um Trump zum schlechtesten Präsidenten der jüngeren Geschichte der USA zu machen. Und dieses Mal hat er die Republikanische Partei fester im Griff, eine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses und im Obersten Gerichtshof hinter sich, und einflussreiche Mitstreiter wie Elon Musk an seiner Seite. Er kann und wird wahrscheinlich mehr von dem durchsetzen, was er ankündigt, als in seiner letzten Amtszeit. Es ist von daher sehr wahrscheinlich, dass die atlantische Freundschaft am Ende ist und die USA ins Lager der Autokraten wechseln, an die Seite von Putin und Xi Jinping. Und sie werden sich weigern, in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit Verantwortung zu übernehmen.
Nun sind wir Europäer gefragt! Die Machtergreifung Trumps in den USA muss uns eine Warnung sein: Das darf bei uns nicht passieren! Die Demokraten in Europa müssen zusammen stehen, um den Aufstieg der extremen Rechten einzudämmen und zurückzudrängen. Das geht aber nicht, indem man die Forderungen der extremen Rechten, etwa nach geschlossenen Grenzen, übernimmt. Denn das drängt die extreme Rechte nicht zurück, sondern macht sie im Gegenteil salonfähig. Die Demokraten müssen sich das Thema Nachhaltigkeit nicht nur auf ihre Fahnen schreiben, sondern konkret daran arbeiten. Die ökologische Wende muss angeschoben werden, sie schützt nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern schafft auch Arbeitsplätze und belebt die Konjunktur. Die in den letzten Jahrzehnten arg unterfinanzierten sozialen Sicherungssysteme müssen saniert – und das heiß nicht abgebaut, sondern leistungsfähiger gemacht – werden. Spätestens jetzt können die USA uns kein Vorbild mehr sein! Denn nur wenn die Menschen merken, dass es eine bessere Zukunft gibt, verspüren sie keine Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit, und sind nicht mehr anfällig für die Parolen der Populisten.