Den Sozialstaat vereinfachen?

Wirtschaft & Soziales

Derzeit wird in Deutschland über die Vereinfachung des Sozialstaats diskutiert. Die Bundessozialministerin will dazu eine Expertenkommission einsetzen. Denn es heißt immer: der Sozialstaat sei zu kompliziert, zu bürokratisch, zu teuer.

Tatsächlich existiert eine Vielzahl von Sozialleistungen, die für den Laien kaum überschaubar ist, und Personen, die die Hilfe des Sozialstaats in Anspruch nehmen wollen, klagen über Bürokratie, die oft als entwürdigend empfunden wird. Wer Sozialleistungen in Anspruch nimmt, kennt das: jedes Jahr Formulare ausfüllen, Kontoauszüge und andere Bescheinigungen kopieren und all das.

Es wäre in der Tat wünschenswert, hier Dinge zu vereinfachen. Der radikalste Vorschlag ist das bedingungslose Grundeinkommen, das das Bürgergeld, die Grundsicherung im Alter und bei verminderter Erwerbsfähigkeit und vielleicht noch andere Leistungen ersetzen soll. Ich war da lange Zeit skeptisch: viele Bedürftige benötigen Hilfe, die sie sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht einkaufen könnten. Mittlerweile sehe ich das etwas anders: jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in Würde und ohne drängende Finanzsorgen.

So richtig überzeugt bin ich vom bedingungslosen Einkommen aber nicht. Man kann eben nicht alle „Fälle“ (in Anführungszeichen gesetzt, weil es hier um Menschen geht) über einen Leisten schlagen. Soziale Unterstützung muss passgenau sein. Jeder Mensch ist anders und benötigt individuelle Hilfe und Unterstützung. Des weiteren muss sich Arbeit lohnen: wer arbeitet, sollte mehr Geld in der Tasche haben als wer nicht arbeitet. Denn das soziale Netz sollte zwar sicher und leistungsfähig sein, aber nicht zur Hängematte werden.

Oft heißt es auch: „Sozial ist, was Arbeit schafft“ oder auch „Die beste Sozialpolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik“. Das ist sicher nicht ganz falsch. Jeder Mensch braucht in seinem Leben eine sinnvolle Aufgabe. Aber die einfache Gleichung „Arbeit = Sinn im Leben“ geht nicht immer auf. Es gibt sie, die „bullshit jobs“, die eben kein Sinngefühl vermitteln. Und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, kann auch ein Hobby oder ein Ehrenamt vermitteln. Ich selbst habe derzeit keine Erwerbsarbeit, lebe von Grundsicherung bei Erwerbsminderung, habe aber dennoch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, indem ich diesen Blog betreibe und mich auch darüber hinaus kreativ mit der Nachhaltigkeitsfrage auseinandersetze. Es gibt ihn also, den Lebenssinn jenseits der Erwerbsarbeit.

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