Nach Trumps Wahlsieg in den USA ist die Freundschaft zwischen Europa und den USA gefährdet. Zwar wird von europäischen Politikern immer wieder die Zusammenarbeit beschworen, aber machen wir uns nichts vor: Trump steht für Werte, die in Europa nur die extreme Rechte teilt – und vielleicht einige Politiker, die sich bei der extremen Rechten anbiedern, um Wähler zurückzugewinnen. Aber sollte Trump mit seinen Ankündigungen Ernst machen, ist Schlimmes zu erwarten: Deportationen von Immigranten, Ausweitung der Todesstrafe, ein Ende der Meinungsfreiheit, Totalverweigerung beim Klimaschutz, ein Ende der Bereitschaft der USA, europäischen Staaten bei der Landesverteidigung zu helfen. Dann können europäische Demokraten nicht mehr guten Gewissens weiterhin Freundschaft mit dem Weißen Haus pflegen.
Tatsache ist: Trump und die europäischen Demokraten teilen nicht die gleichen Werte, sondern nur Werte, die die gleichen Namen tragen. Wenn Trump und seine Anhänger von „Freiheit“ sprechen, meinen sie nicht die jedem Menschen von Geburt an zustehenden Freiheiten. Sie meinen die „Freiheit“, die man für Geld kaufen kann, die „Freiheit“, die man sich mit der Waffe in der Hand verschafft. Ähnlich steht es mit „Gerechtigkeit“, darunter verstehen die US-Republikaner das Recht des wirtschaftlich und militärisch Stärkeren, sich zu nehmen, was ihm beliebt.
Diese Ungleichheit europäischer und amerikanischer Werte gab es schon lange, bevor Donald Trump die politische Bühne betrat. In den USA war immer schon die Mitte dort, wo in Europa der rechte Rand ist. Die Demokraten und die Republikaner waren auch schon vor Trump nicht mit SPD und CDU/CSU vergleichbar, sondern die Demokraten mit einer Koalition aus CDU/CSU, FDP und SPD, und die Republikaner fast schon mit der AfD. Eine starke Linke hat es nie gegeben. Noch heute werden in den USA Auseinandersetzungen ausgetragen, die in Europa längst entschieden sind, etwa um die Todesstrafe. Gilt Gewalt als legitimes Mittel der Politik.
Wirtschaftlich und technologisch mögen die USA hochmodern sein, ihre politische Kultur ist noch 19. Jahrhundert. Sie sind keine moderne „Kultur der Würde“, sondern eine archaische „Kultur der Ehre“. Der „amerikanische Traum“ ist in Wahrheit ein Alptraum: wenn „jeder es schaffen kann“, der Armut zu entrinnen, hat derjenige, der es nicht schafft, das selbst zu verschulden, und damit auch nicht besser verdient, als arm zu sein. Er hat sich eben nicht genug angestrengt. Mehr noch: Reichtum gilt als Lohn Gottes für ein tugendhaftes, Armut als Strafe Gottes für ein liederliches Leben. Da hat die öffentliche Hand nicht einzugreifen, jedenfalls nicht zu Gunsten der Armen. Aus diesem Grund werden Gestalten wie Donald Trump und Elon Musk bewundert, statt in ihnen eine Gefahr für die Demokratie und den sozialen Frieden zu sehen.
Da beißt die Maus keinen Faden ab: Das ist das Ende des Westens als politischer und kultureller Wertegemeinschaft zwischen Europa und den USA. Wir können uns nicht mehr auf den „großen Bruder“ USA verlassen. Europa muss allein klar kommen. Ob in der Landesverteidigung oder beim Klimaschutz: von den USA ist keine Hilfe mehr zu erwarten, sie werden unter Präsident Trump sich sehr bald als Gegner, nicht als Partner erweisen. Wir wissen nicht, wie schlimm es Trump und seine Spießgesellen wirklich treiben werden, aber wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen. Als Hitler 1933 an die Macht kam, meinten auch viele, so schlimm werde es nicht kommen, er werde nicht alles von dem, was er in „Mein Kampf“ geschrieben hatte, tatsächlich umsetzen. Wie wir wissen, kam es schlimmer. Das kann jetzt wieder passieren. Europa muss sein volles Gewicht in die Waagschale werfen, für Frieden, für Demokratie, für Klimaschutz, für Nachhaltigkeit.