Ideologische Ladenhüter

Grundfragen

In der Nachhaltigkeits-Diskussion werden von einigen radikalen Kreisen immer wieder alte Ideen auf den Tisch geworfen, die in Wirklichkeit nichts zur Wende zur Nachhaltigkeit beitragen.

Ökodiktatur

Manche radikale Umweltaktivisten scheinen das Vertrauen in die Fähigkeit der Demokratie, politische Probleme zu lösen, verloren zu haben. Weil es angeblich keine Mehrheit für die Wende zur Nachhaltigkeit gäbe, müsse man eben gegen den Willen der Mehrheit handeln, und das erfordere eine Diktatur. Das ist aber grober Unsinn. Zwar kann es in einer Demokratie schwierig sein, eine Mehrheit für die richtige Politik zu bekommen, zwar sind Diktaturen in der Lage, unpopuläre Entscheidungen mit Gewalt durchzusetzen. Aber Diktaturen treffen in den meisten Fällen die falschen Entscheidungen, die sie mit Gewalt durchsetzen, und neigen dazu, alle Korrekturvorschläge brutal zu unterdrücken.

Es gibt aber keinen „Königsweg“ zur Nachhaltigkeit, sondern viele verschiedene Wege, die unterschiedliche Vor- und Nachteile haben. Manche sind teuer, andere billig; manche Maßnahmen bringen mehr als andere, oder sind leichter durchzusetzen. Auch Korrekturen müssen möglich bleiben, wenn sich eine anfangs viel versprechende Maßnahme als unzureichend oder kontraproduktiv erweisen sollte. Das alles erfordert eine offene Diskussion, und die ist nur in einer Demokratie möglich. Wenn man sich die Diktaturen der Welt ansieht, sind ihre Nachhaltigkeitsbilanzen durchwegs katastrophal. Keine Demokratie ist jemals so schlecht regiert worden wie Zimbabwe oder Nordkorea. Von den Menschenrechten, die für alle Nachhaltigkeitskonzepte grundlegend sind, gar nicht zu reden.

Sozialistische Planwirtschaft

Ein weiterer ideologischer Ladenhüter, der der Ökodiktatur nahe steht, ist der Vorschlag, zur Rettung der Welt eine Neuauflage der sozialistischen Planwirtschaft einzuführen. Auf zwei Fridays for Future-Kundgebungen im letzten Sommer musste ich mir Redebeiträge anhören, in denen genau das gefordert wurde. Kapitalismus und Marktwirtschaft seien mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht vereinbar und müssten deshalb abgeschafft werden.

Geht es noch? Hat die sozialistische Planwirtschaft in den Ostblockstaaten nicht zu gewaltigen Umweltzerstörungen geführt? Nein, diese Idee aus der ideologischen Mottenkiste ist zur Weltrettung völlig unbrauchbar. Eine Umbruchsituation wie die gegenwärtige erfordert Innovationen, und die sozialistische Planwirtschaft war extrem innovationsfeindlich. Das Hauptproblem: die sozialistische Planwirtschaft war eine Welt ohne Unternehmer. Die Betriebsdirektoren im Ostblock waren keine Unternehmer, sondern Bürokraten. Sie dachten bürokratisch, nicht unternehmerisch. Wer nicht nach den Handbüchern wirtschaftete, musste damit rechnen, im Falle eines Misserfolgs, und sei er nicht selbst verschuldet, der Sabotage beschuldigt zu werden. Wer sich hingegen eng an die offiziellen Leitlinien hielt, vermied diese Gefahr, denn er hatte ja „alles richtig gemacht“. Dadurch wurden Innovationen weitestgehend verhindert, und die Planwirtschaft veraltete immer mehr.

Im Übrigen gilt auch hier: Gewerbefreiheit ist ein Grundrecht. Ein Unternehmen zu gründen, ist Teil des Rechts auf Selbstverwirklichung. Natürlich muss sich ein Unternehmer an gesellschaftliche Regeln halten, aber innovatives unternehmerisches Denken ist in der Nachhaltigkeitsfrage dringend vonnöten.

Haupt- und Nebenwidersprüche

Wenn wir schon dabei sind, in die sozialistische Mottenkiste zu greifen, dann ist es kein langer Weg zu den Salonmarxisten, die argumentieren, die ganze Klima- und Umweltkrise sei lediglich ein „Nebenwiderspruch“, der von dem „Hauptwiderspruch“ zwischen Arbeit und Kapital abhängig sei, indem einerseits eine Lösung der „Nebenwidersprüche“ ohne Lösung des „Hauptwiderspruchs“ unmöglich sei, andererseits eine Lösung des „Hauptwiderspruchs“ automatisch zu einer Lösung der „Nebenwidersprüche“ führen würde. Es gäbe aber nur eine Möglichkeit, den „Hauptwiderspruch“ aufzulösen, nämlich eine sozialistische Revolution. Die aber setze eine „revolutionäre Situation“ voraus, die wiederum gegenwärtig nicht gegeben sei, weil es den Massen noch zu gut ginge. Und jeder Versuch, Dinge zu verbessern, ohne das System umzustürzen, würde die Revolution nur verzögern. Es müsse erst mal alles noch viel schlimmer werden, damit die lang ersehnte Revolution endlich käme. Das aber bedeutet, dass man gegenwärtig gar nichts gegen die Krise unternehmen kann – und gar nichts unternehmen darf. Zur Bewältigung der Krise tragen solche Theoretiker also nichts bei, schlimmer noch: ihnen ist die Lage noch nicht ernst genug.

Defätismus

chließlich gibt es noch eine Variante, das Nichtstun zu rechtfertigen, und das ist der Defätismus. Es gibt nicht wenige, die meinen, es sei längst zu spät, den Untergang zu verhindern, man könne das Ende allenfalls hinauszögern. Auch das taugt zur Begründung des Nichtstuns. Denn warum soll man sich anstrengen, die Welt zu retten, wenn sie eh dem Untergang geweiht ist? Wir wissen natürlich nicht, ob und inwieweit wir einen Zusammenbruch der Zivilisation noch abwenden können, aber so lange wir nicht wissen, dass es schon zu spät ist, steht es an, zumindest zu versuchen, das Ende abzuwenden, wie ein guter Arzt einen Patienten, von dem er nicht weiß, ob er durchkommen wird, niemals aufgeben darf. Defätismus ist unterlassene Hilfeleistung am Planeten Erde und daher nicht verantwortbar.

Fazit

Ideologische Ladenhüter sind nicht geeignet, die Welt zu retten. Es sind vielmehr konkrete, pragmatische Lösungen gefragt, die unmittelbare Verbesserungen bewirken. Ein paar Windräder mehr, eine Verbesserung des ÖPNV und ähnliches nützen dem Planeten und den Menschen mehr als ideologische Gespensterdebatten um die Weltrevolution. Denn auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.

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