Wenn es um die Umstellung unserer Wirtschafts- und Lebensweise von fossilen auf erneuerbare Energien geht, wird immer wieder die Bioenergie ins Spiel gebracht, d.h. die Nutzung von pflanzlichem Material als Brennstoff. Die Bioenergie hat einige Eigenschaften, die zumindest auf den ersten Blick für sie sprechen. Sie ist, zumindest in der Theorie, CO2-neutral, weil bei der Verbrennung nur diejenige Menge CO2 freigesetzt wird, die die Pflanzen in ihrer Lebenszeit der Atmosphäre entnommen haben. Die Technologie ist altbekannt und erprobt, und Anlagen zur Nutzung fossiler Brennstoffe lassen sich oft ohne größere Probleme auf Bioenergie umstellen; Biogas etwa ist in der chemischen Zusammensetzung mit Erdgas identisch und lässt sich in das vorhandene Erdgasnetz einspeisen. Zu guter Letzt sind pflanzliche Energieträger gut speicherbar – besser als Wasserstoff, der sehr flüchtig ist, und viel besser als Strom.
Aber die Bioenergie hat auch ihre Grenzen und Schattenseiten. Zunächst einmal braucht man zu ihrer Produktion fruchtbare Böden und Wasser. Beides ist nicht unbegrenzt verfügbar, und der Anbau von Energiepflanzen tritt in Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln, was zur Verteuerung der letzteren führt. In Entwicklungsländern kann der Anbau von Energiepflanzen die Nahrungsversorgung der Bevölkerung gefährden. Die CO2-Neutralität ist nur gegeben, wenn die Bodennutzung nachhaltig ist, also kein Raubbau betrieben wird. Und selbst dann kann die Produktion von Bioenergie das Gleichgewicht zuungunsten des Klimas verschieben.
Von daher kann Bioenergie nur einen kleinen Teil des erneuerbaren Energiemixes beisteuern. Ratsam ist eine Kaskadennutzung, etwa in der Form, dass aus Abfällen, die bei der Produktion und Verarbeitung von Nahrungsmitteln anfallen, Biogas erzeugt wird. Und eigentlich sind nachwachsende Rohstoffe zum Verbrennen zu schade, denn die Abfälle aus der Nahrungsmitteloproduktion sind als Bau-, Werk- und Syntheserohstoffe von großem Wert. Die anorganischen erneuerbaren Energien wie Windkraft, Photovoltaik und Solarthermie vermeiden diese Probleme weitgehend. Von daher sollte es heißen: Anorganische Energie für Maschinen – organische Energie für Menschen!
Literatur
Biber-Freudenberger, Lisa. Biomasse: Eine begrenzte Ressource. Spektrum der Wissenschaft 12/2023, S. 40-45.